Kriegsbrücken [1]

[701] Kriegsbrücken haben militärischen Zwecken bei der Landesverteidigung oder im Kriege zu dienen und müssen in erster Linie die Bedingung erfüllen, daß sie mit möglichster Raschheit aufgeteilt und auch wieder abgebrochen werden können. Sie bezwecken entweder die Wiederherstellung oder den Ersatz teilweise oder völlig zerstörter stabiler Brücken oder sollen einen sofortigen Uebergang über Flüsse an bestimmter Stelle ermöglichen.

Derartige Brücken wurden früher ausschließlich aus Holz in Form von einfachen und verstärkten Balkenbrücken, Sprengwerks- und Fachwerksbrücken errichtet [8] Mustergültige Beispiele dieser Art enthielten die Feldbahnanlagen im deutsch-französischen Kriege [1]. Je nachdem die Brückendecke durch Böcke oder durch Pontons unterstützt wird, unterscheidet man Bockbrücken und Pontonbrücken Der Brückenüberbau muß aus einzelnen, nicht zu schweren Teilen bestehen, welche sich auf Wagen verladen und transportieren lassen. Eine Brückenequipage enthält das Material zu einer Brücke von 50–60 m Länge, die zu dessen Fortschaffung nötigen Wagen, die Werkzeuge zur Aufstellung und Zusammensetzung und einen entsprechenden Vorrat von Ersatzstücken.

In neuerer Zeit sind verschiedene Systeme von zerlegbaren eisernen Brücken ausgebildet worden, welche im modernen Kriegsbrückenbau an Stelle der Holzkonstruktionen zu treten bestimmt sind. Sie bestehen sämtlich aus leicht zu verbindenden Einzelgebilden, deren Verschiedenheit für jedes System möglichst eingeschränkt ist.

Das System Eiffel [2], welches zuerst aufgestellt wurde (1879), hat als Hauptelement der fachwerkartigen Träger das gleichschenklige Dreieck (a, b, c, d, Fig. 1), dessen Stäbe sämtlich aus einfachen Winkeleisen, die an Knotenbleche genietet sind, gebildet werden. Diese Dreieckselemente werden mit der Spitze nach unten (oder nach oben), sich zur Hälfte übergreifend, aneinander gereiht und durch die geraden Gurtstabglieder ef zu einem Träger verbunden. Die Verbindung erfolgt mittels Bolzen. Ein solches Dreieckselement für eine eingleisige Eisenbahnbrücke von 20 m mit 2 m hohen Trägern wiegt 265 kg, das schwerste Stück sind aber die Querträger (404 kg), die als Blechträger, für leichte Brücken als Walzträger, ausgeführt sind.

Bei dem System Cottrau [3] erscheinen rechteckige Elemente angewendet (Fig. 2). Die Rechteckseiten messen 1,250 m und 1,875 m, und ein Element für leichte Brücken wiegt bloß 97 kg. Diese Elemente werden, paarweise aufeinander gelegt, durch horizontale Gurtungsbleche verbunden. Je nachdem die Rechtecke der Breite oder Höhe nach angeordnet werden, kann man verschieden hohe Träger und verschieden großes Widerstandsmoment erzielen.

Das System des französischen Obersten Marcille [4] besteht in der Zusammenfügung einer Brücke aus kurzen Blechbrückenabschnitten. Es sind hiernach für diese Brückenelemente vier Typen gewählt für Spannweiten bis zu 10 m werden 0,6 m hohe Träger, bis zu 20 m werden 1,2 m hohe Träger, bis 30 m werden 1,5 m hohe Träger und darüber 2,2 m hohe Träger angewendet. Die Teilstücke haben für die kleineren Brücken 1,25 m, 2,5 m und 5 m Länge, für die großen Brücken 7,5 m und 10 m Länge. Diese Blechbrückenabschnitte sollen fertig zusammengesetzt auf den Feldbahngleisen mittels eigens konstruierter Wagen transportiert werden.

Die Systeme Brochocki [5], Seyrig [6], Henry [7] und Fives-Lille lösen die Träger in lauter stabförmige Glieder auf, wodurch allerdings das Gewicht der einzelnen Stücke vermindert und deren Transport erleichtert, die Zahl der verschiedenartigen Elemente aber sehr vergrößert wird. Brochocki wendet das Ausfachungssystem des gleichschenkligen Dreiecks[701] ohne Vertikalstander an, mit kastenförmigem Querschnitt sämtlicher Stäbe (Fig. 3). Seyrig konstruiert seine Träger nach Fig. 4, und sind die Gurtstäbe aus Walzträgern, die Gitterstäbe aus je zwei Winkeleisen gebildet. Die Verbindung der Stäbe erfolgt bei allen diesen Systemen durch Bolzen.

In Oesterreich stehen zerlegbare Gitterbrücken nach System Kohn in Anwendung (Fig. 5). Die Hauptträger sind Gitterträger mit gekreuzten Diagonalen und mit schwachen Vertikal Haben, an welche die Querträger angeschlossen werden. Die Höhe und Maschenweite der Träger betragt 3 m Die Hauptelemente, aus welchen sich die Träger zusammensetzen, sind die auf die Spitze gestellten Vierecke aa bb. Dieselben sind aus Winkeleisen unter Vermittlung von Eckblechen genietet und ist oben mit unten, rechts mit links verwechselbar. An den Zusammenstoßpunkten b zweier Elemente werden die Diagonalwinkel mittels Winkellaschen und Verschraubung gekuppelt. Die Endelemente ccb sind dreieckig mit kräftiger ausgebildeten Vertikalstäben. Die 6 m bezw. 3 m langen Gurtstäbe sind im Ober- und Untergurt vollkommen gleichartig und bestehen aus je zwei Kriegsbrücken [1]-Eisen mit versetzten, durch Laschen gedeckten Stößen. Mit diesen Trägerelementen lassen sich Träger mit 3 m, 6 m und 9 m Höhe zusammensetzen (Fig. 5); bei doppelwandiger Anordnung sind damit Spannweiten bis 50 m erreichbar.

Die Aufstellung dieser zerlegbaren Brücken kann entweder auf Gerüsten erfolgen oder aber die Brücke wird auf einem der Ufer montiert und mit Hilfe eines an dem vorderen Brückenende anzubringenden Lancierschnabels auf Wagen oder Rollen in ihre definitive Lage eingeschoben.


Literatur: [1] Deutsche Bauztg. 1871, S. 233; 1872, S. 61, 73, 104, 120, 174; Zeitschr. d. Bayr. Arch.- u. Ingen.-Ver. 1872; Mitteil. d. Art.- u. Geniewesens 1880, S. 54, u. 1883, S. 9; 1884, 1. Heft; 1894, S. 365, – [2] Wochenschr. d. Oesterr. Ingen.- u. Arch.-Ver. 1887, S. 201; 1890, S. 78; Zentralbl. d. Bauverw. 1889, S. 470; Organ f. d. Fortschr. d. Eisenbahnw. 1891, S. 78 u. 126. – [3] Wochenschr. d. Oesterr. Ingen.- u. Arch.-Ver. 1887, S. 204; Zeitschr. d. Arch.- u Ingen.-Ver. Hannover 1888, S. 279. – [4] Zentralbl. d. Bauverw. 1890, S. 278. – [5] Engineering 1889, S. 323; Wochenschr. d. Oesterr. Ingen.- u. Arch.-Ver. 1890, S. 79. – [6] Wochenschr d. Oesterr. Ingen.- u. Arch.-Ver. 1890, S. 38. – [7] Ebend., S. 166. – [8] Müller, Lad., Die europäischen Kriegsbrückensysteme, Wien 1874.

Melan.

Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 4., Fig. 5., Fig. 5a.
Fig. 4., Fig. 5., Fig. 5a.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 701-702.
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